Greissler-Sterben? Leere Ortszentren? Dafür Einkaufspaläste am Stadtrand? Wie es um den Handel im Burgenland wirklich bestellt ist, zeigt die neue Statistik der Wirtschaftskammer – und die Ergebnisse überraschen im Detail. Der FIATA hat nachgerechnet.
Es ist eine Statistik, die man sonst nur von Staaten kennt: die Kaufkraft-Bilanz. Gemessen wird dabei, woher das im Handel ausgegebene Geld kommt. Doch es gibt sie spannender Weise auch für das Burgenland. Fahren wir gerne nach Wien zum Einkauf? Wie ist das mit der Nähe zu Ungarn und der Slowakei? Thomas Jestl kennt die Antworten. Denn der Geschäftsführer der Sparte Handel in der Wirtschaftskammer Burgenland hat mit „Gut&Co – Gumpinger Test und Consulting“ diese Daten ausgewertet. Und die Strahlkraft, die von den 5.650 burgenländischen Geschäften ausgeht, ist beachtlich. 60 Millionen Euro stammen von slowakischen Käufern, gar 160 Millionen lassen ungarische Gäste jährlich im Burgenland.
Wer sich noch an die 1980er und frühen 1990er Jahre erinnern kann, wird noch die wöchentlichen Tankfahrten und Butter-Hamsterkäufe in Sopron in Erinnerung haben. Davon ist wenig geblieben. Rechnet man die 15 Millionen Euro, die Burgenländer jenseits der Grenze ausgeben, auf die Bevölkerung um, ergibt das rund 51 Euro pro Kopf und Jahr. In die Slowakei fließt noch weniger burgenländisches Erspartes: drei Millionen weist die Kammer-Statistik hier aus.
Verteilung Verkaufsfläche Peripherie Stadtzentrum Bezirksvorort
Shopping-Paradies Neusiedl, Eisenstadt erst auf Platz 3
Teil dieser Analyse des Einkaufs im Burgenland ist auch die Flächenbilanz. Wieviel Quadratmeter Fläche stehen zu Verfügung, lautet hier die Frage. Erste Überraschung: Die Landeshauptstadt samt Umland findet sich erst auf Platz drei. Denn nicht nur der Raum Neusiedl, der u. a. mit den Flächen in Parndorfs Outlet-Zentren auf 170.100m² kommt, hängt Eisenstadt (120.100m²) ab, sondern auch der Oberwarter Bezirk mit 140.300 m². Generell allerdings ist der Süden mit den Bezirken Güssing (24.400m²) und Jennersdorf (16.200m²) kein Konsumparadies. Das zeigt sich auch bei der Abwanderung von Kaufkraft in die Steiermark. 76 Millionen Euro gehen über die Grenze ins Nachbar-Bundesland, rechnet Jestl vor, aber nur 51 Millionen kommen zurück.
Auch die lange Grenze mit Niederösterreich hinterlässt Spuren in dieser Aufstellung. 146 Millionen gaben die Burgenländer im Jahr 2019 in blau-gelben Geschäften aus, während umgekehrt „nur“ 71 Millionen in die burgenländische Geschäftswelt floss. Deren Struktur hat sich in den letzten zehn Jahren massiv geändert, wenn man sich die Bezirksvororte genauer ansieht: Wie beinahe überall verlagern sich die Flächen des Handels weg aus den Stadtkernen. Am drastischsten ist diese Entwicklung in Oberwart zu beobachten. Bereits im Vergleichsjahr 2009 hatte die Stadt den geringsten Handelsanteil im Zentrum (13%) aufzuweisen. Zehn Jahre später sank er auf 8%!
Sieben Lebensmittelgeschäfte weniger als 2009; Größen-Struktur nahezu gleich
Ganz anders sieht die Lage des Handels in Oberpullendorf aus. Dort befanden sich 2009 noch 42% aller Geschäfte im Zentrum. Aktuell sind es nur mehr 30%. Doch dieser Wert stellt auch den Rekord im Burgenland dar. Auf Platz zwei bei der intakten Innenstadt-Geschäftswelt liegt Mattersburg mit 21%. Eisenstadt hingegen hat weiter an die Peripherie verloren und liegt mit 16% Zentrumsanteil auf dem vorletzten Platz der sieben Bezirksvororte. Jennersdorf hingegen kann mit 17% der Handelsflächen im Zentrum als einziger Bezirksvorort auf ein minimales (1%) Wachstum zwischen 2009 und 2019 verweisen. Relativ kompakt blieb das zentrale Einkaufsangebot auch in Neusiedl (von 22% auf 19%).
Eine etwas bessere Nachricht gibt es bei der Struktur des burgenländischen Handels. „Aktuell sind es noch 571 Betriebe, 2019 waren es 578“, spricht Thomas Jestl den wichtigen Lebensmittelhandel an. Und auch die Geschäftsgrößen wachsen – selbst bei der Verlagerung an den Stadtrand – nicht ins Gigantische. Der Mix, bei dem die über 1000m² großen Geschäfte beständig 45% (2009 wie auch 2019!) ausmachen, blieb weitgehend konstant. Lediglich die kleinste Kategorie bis 60m² Fläche ging leicht zurück (von 4 auf 3% der Gesamt-Handelsfläche). Dafür gewann dieses eine Prozent der Anteil der 61 bis 100 m² großen Läden dazu. Auch wenn die Situation für kleine Handelsbetriebe, speziell in Ortszentren, keineswegs rosig ist: Strukturen mit Augenmaß hat man sich im Burgenland offenbar erhalten.
Graphiken (2): WK Burgenland/Gut & Co.