Was der neue Think Tank von Hannes Schuster, Christian Tschida und Roland Velich erreichen will
Wie sähe Burgenlands Weinbau aus, wenn 1921 die Grenzen nicht neu gezogen worden wären? Wohin würden die Weinhändler aus Kőszeg (Güns) und Sopron (Ödenburg) heute liefern, wenn sie nicht ab 1938 um ihr Leben fliehen mussten? Es sind Fragen, die man nicht unmittelbar bei einem Winzer-Pressegespräch erwartet. Aber in diesem Fall bleibt es nicht bei dem „Was wäre wenn…“-Spiel, das alle Historiker hassen und das als Literatur-Genre „alternate history“ heißt. Denn die Sorten, die damals dominierten wie Furmint und Blaufränkisch sind auf dem Vormarsch.
Filigraner Blaufränkisch? „Des is kua Weu“!
Während die weiße Sorte von acht auf 25 Hektar hochgepäppelt wurde, zählt beim „Blaufränker“ aktuell ein Stil, der deutlich schlanker ist als noch 2000 und der sich vom maximalen Ertrag (und den dafür gemachten Reb-Züchtungen) emanzipiert. Drei Winzer stellen sich das Burgenland neu vor. „Reimagine Pannonia“ nennen Hannes Schuster aus St. Margarethen, der Illmitzer Christian Tschida und Roland Velich aus Großhöflein deshalb ihre Gruppe. Ein Hauch von John Lennons „Imagine“ oder anders gesagt: eine Weinutopie schwingt hier mit: „Wir verstehen Wein als Ausdruck von regionalem Selbstverständnis (und Selbstbewußtsein)“, lautet einer der Kernsätze aus der Charta des neuen „Think Tanks“.
Allerdings will man es nicht beim reinen Dialog belassen; Verkost-Boxen sollen das neue, schlankere Burgenland-Bild transportieren. „Wir wollen aber nicht dem Handel Konkurrenz machen“, stellte Velich anlässlich der Vorstellung der Gruppe klar. Dennoch wurde eine Flexible Kapitalgesellschaft (Flexco) gegründet, damit es klare Verantwortlichkeiten gibt. Denn in Sachen „Winzervereinigungen bin ich ein gebranntes Kind“, so Roland Velich als Ältester des Trios. Gemeinsam will man aber etwa den puristischeren Blaufränkisch, für den alle drei Winzer weltweit Anerkennung finden, weiter fördern. Denn der habe deutlich mehr Chancen als breite und alkoholischere Weine, habe sich der Zeitgeist gewandelt. Das machte Christian Tschida mit einer persönlichen Anekdote deutlich:
„Als ich vor einigen Jahren einen Blaufränkisch mit nur 12,5% füllte, hieß es gleich einmal: „Des is jo koa Weu“!“
Christian Tschida, „Mr. T“ aus Illmitz
Und auch ein befreundeter Winzer, der zur Präsentation in den Wiener Dogenhof gekommen war, erinnerte sich, dass der Verkauf eines Terroir-geprägten Welschrieslings von den Ausläufern des „G’schriebenen“ in Rechnitz keineswegs leicht war: „Das war eher so, wie wenn Du mit einem Kropf auf Brautschau gehen sollst“, hatte Thomas Straka die Lacher auf seiner Seite. Ernster hingegen wurde es bei einem konkreten Feindbild der „Reimagine“-Gruppe, der amtlichen Prüfnummer-Verkostung. Dass ausgerechnet einige der erfolgreichsten Weine im Export zuhause nicht ihre Herkunft am Etikett führen dürfen, wurmt Schuster, Tschida und Velich. Und nicht nur sie, sondern etliche naturnah und minimal-invasiv arbeitende Winzer.
Denn egal, ob die Laboranalyse eines Weines nach hygienischen und gesetzlichen Kriterien passt, kann ihnen immer noch eine Kostjury die staatliche Prüfnummer verweigern. Damit aber steht statt der Riede oder dem Herkunftsort nur mehr „Österreich“ am Etikett. Und das steht auch auf allen im ganzen Bundesgebiet zusammengekauften Weinen – etwa einem mit niederösterreichischen Trauben im Seewinkel vinifizierten Veltliner. Der sich dann doch ein bisserl stark von dem anderen „Wein aus Österreich“, einem vom anonymen Gremium „deklassierten“ Rieden- oder Ortswein, unterscheidet.
Die Willkür der Verkoster ist unzeitgemäß
Konkretes Ziel oder – im „Imagine“-Sinne – ein Traum der Gruppe ist es, auf allen Flaschen die Herkunft Burgenland anführen zu dürfen. Diese Möglichkeit reiht man auch vorrangiger, als eine Angabe der Lage, die derzeit zwischen Burgenland (dagegen!) und dem Rest von Wein-Österreich (dafür und das endlich mit einer konkreten Gesetzes-Verordnung im Hintergrund!) heiß diskutiert wird.
Dann könne man sogar „Vorurteile verändern“, nennt man als Beispiel die dritt-beliebteste Rebsorte des Landes nach Blaufränkisch und Zweigelt. Denn der Grüne Veltliner schmecke von den besten seiner 1.088 Hektar, die er im Burgenland umfasst, nämlich deutlich anders als in den Ebenen des Weinviertels. Über 300 Metern angepflanzt und mit den Leithaberger Bodenprofilen (Kalk und Schiefer) dazu zeige sich ein ganz anderes Bild der Rebsorte als in Niederösterreich – „frischer, kühler und auch kräutriger“.
Kräftig hingegen will man beim gemeinsamen Auftritt werden. Denn die Gruppe steht auch weiteren Winzern offen. Sei es zum Austausch, zur Beratung oder als Plattform, um eine breitere Wein-Öffentlichkeit zu erreichen. Voraussetzung, so Christian Tschida, sei „eine zumindest biologische Bewirtschaftung“. Auch eine Maschinenlese ist „indiskutabel“. Denn auch bei Reimagine kann man sich nicht alles vorstellen!